Critics
Yu Jung Yoon
plays Alexander Scriabin
20.01.2014
Eine junge Dame und ein für mich neuer Name auf dem Konzert- und CD-Podium! Zugleich eine neue, aller Aufmerksamkeit seitens des Publikums würdige Künstlerpersönlichkeit: die schon im zartesten Alter von 14 Jahren am St. Petersburger Konservatorium akzeptierte und ausgebildete Pianistin Yu Jung Yoon. Als eine Persönlichkeit wage ich sie mit gutem Gewissen zu bezeichnen, weil sie hier auf ihrer ersten (?) CD-Einspielung mit drei zentralen Skriabin-Werken nicht nur eine geschmeidige, für die Anforderungen plastischen und farbenreichen Klavierspiels ausgefeilte Technik besitzt. Vielmehr liegt es in ihrem gestalterischen Einflussbereich, den meisten der ihr anvertrauten Miniaturen ebenso wie den größer formatierten Abläufen Richtung, Prägnanz und wichtiger noch: eine unverwechselbare Definition in der Abmischung aller denkbaren Parameter zu verleihen. Yu Jung Yoons darstellerische Basis für den pianistisch-musikalischen Slalom durch den eng gesteckten Kurs der 24 Préludes op. 11 ist ein warmes, sozusagen Kalorien reiches Piano, dessen sachdienliche Nervosität und Liebreiz sich im Forte und Fortissimo zu gesunder Fülle ausweitet. Dadurch verbreiten etwa die exsaltierten Episoden der „Vorspiele“ op. 11 eine Atmosphäre humaner Mächtigkeit. Und damit eben nicht wie so oft in der heutigen Hochgeschwindigkeits- und Schlagwütigkeitsszene jenes Klima ehrgeiziger Gewalttätigkeit, das sich einzig aus mechanischer und physischer Zuverlässigkeit, kaum aber aus gedanklichem und emotionalen Verantwortungsbewusstsein herleiten lässt.
So weich geduckt, wie Yu Jung Yoon die Préludes eröffnet, könnte man sich von ihrer Hand auch das erste Chopin-Prélude angeschoben und gestreichelt vorstellen. Das Erscheinungsbild des dritten Stücks empfinde ich um eine Spur zu flüchtig, zu glitschig in der Auslegung der Skalen und der mit ihnen verbundenen Geläufigkeit. Aber schon mit der Nummer Vier befindet sich die junge Dame sicher auf Kurs, entdeckt und bezeichnet souverän alles Mysteriöse (Nr. 16), alles Muskolöse (Nr. 18) – und sie lässt es auch an einer kleinen Dosis an Humor nicht fehlen, wenn sie im Verlauf von Nr. 17 dem adretten Zick-Zack-Hüpfen den Anscheins eines Fingerzwinkerns verleiht.
Markant, in den Akkordfolgen jedoch durchaus biegsam und andächtig „erlebt“ die Pianistin das nächtlich orientierte Klavierlibretto der gis-Moll-Sonate. Zu tönendem, stürmischen Leben erweckt, gewinnt der zweite Satz mit seinen beängstigenden Wellenbewegungen die Dramatik „ozeanischer Unendlichkeit“ (Skriabin). Der Interpretin fehlt es dabei nicht an einem guten Maß an Beherrschtheit in der Tempojustierung. Yu Jung Yoons russischer Kollege Daniil Trifonov, dessen Carnegie Hall-Einspielung kürzlich bei der Deutschen Grammophon erschienen ist, zeigt in dieser Phase schier grenzenlose Gewandtheit, aber auch eine gefährliche Tendenz, fliegend und hastend das wirkliche Auf- und Ab des Satzes aus den Augen zu verlieren, pianistisch gesprochen: aus den Händen zu geben.
Der Beginn der Fis-Dur-Sonate mit seinen giftig gen Himmel spritzenden Klangkaskaden kann man sich gleißender, betörender, ja verwegener herausgeschleudert vorstellen als es Yu Jung Yoon gegeben ist (oder sinnvoll erscheint). Ich denke da an die italienische Life-Aufnahme von Sviatoslav Richter aus den 60er-Jahren. Aber die junge Yoon versteht es, die Sonate trotz ihrer zerfurchten, immer wieder ermattenden und dann heftig aufbegehrenden Anlage „zusammen zu halten“ und am Ende packend ausrauschen zu lassen..
Was die Edition dieser insgesamt beeindruckenden musikalischen Vorführungen und Bekenntnisse anbelangt, so sind einerseits der räumlich-dynamisch natürlich wirkende Klavierklang und ein profunder Einführungstext von "Klassik-Heute"-Autor Hartmut Lück hervorzuheben, andererseits ein Manko, das für viele der neueren Publikationen typisch ist. Biographisches Material – Herkunft, Nationalität, Alter etc. – bleibt im Begleitheft bis auf wenige Daten hinsichtlich der verantwortlichen Pädagogen ausgespart. Eine Diskretion, die man bei Horowitz-, Arrau- oder auch bei Sokolov-Aufnahmen auf Grund von deren Berühmtheitsgrad tolerieren wird, aber bei einem künstlerischen und medialen "Newcomer" vermisst. Nebenbei bemerkt: auch Yu Jung Yoons Webseite ist nicht informativer – und graphisch derart gestaltet, dass man beim Schwarz/Weiß-Ausdruck den Text kaum lesen kann…
Vergleichsaufnahmen: Préludes op. 11: Kerer (LP Melodia/Eurodisc 25160 KK), Fergus-Thompson (ASV DCA 919), Ponti (LP Vox Box SVBX 5462), Pizarro (Collins 14962), Kuschnerova (Ars musici 1259-2), Gourari (Koch 3-1431-2), Lane(Hyperion CDA 67057/8), Zarafiants (Naxos 8.553997), Gieseking (Music & Arts 1098/4), von Eckardstein (MDG 604 1318-2); Sonaten op. 19 und op. 53: Shukow (telos Music TLS 035); op. 19: Pogorelich (DG 429 391-2), Demidenko (Conifer classics 75605 51204 2), Novitskaya (LP Melodya CM 03533-4), Trifonov (Carnegie Hall 5.2.2013 DG 479 1728); op. 53: Gould (NY 1970 LP CBS M3 42150), Horowitz (LP RCA ARL 1-1766, GD 86215), Gieseking (live 30.10.1947 Pearl GEMM CD 9011), Postnikova (LP Melodya 33CM 03983-84/a), Richter (LP DG 2726020, DG 423 573-2), Steuerman (Philips 422 068-2), Deyanova (Nimbus NI 5176), Plagge (Deutsche harmonia mundi 2028-2), Boris Berman (Musik & Arts CD-605)
So weich geduckt, wie Yu Jung Yoon die Préludes eröffnet, könnte man sich von ihrer Hand auch das erste Chopin-Prélude angeschoben und gestreichelt vorstellen. Das Erscheinungsbild des dritten Stücks empfinde ich um eine Spur zu flüchtig, zu glitschig in der Auslegung der Skalen und der mit ihnen verbundenen Geläufigkeit. Aber schon mit der Nummer Vier befindet sich die junge Dame sicher auf Kurs, entdeckt und bezeichnet souverän alles Mysteriöse (Nr. 16), alles Muskolöse (Nr. 18) – und sie lässt es auch an einer kleinen Dosis an Humor nicht fehlen, wenn sie im Verlauf von Nr. 17 dem adretten Zick-Zack-Hüpfen den Anscheins eines Fingerzwinkerns verleiht.
Markant, in den Akkordfolgen jedoch durchaus biegsam und andächtig „erlebt“ die Pianistin das nächtlich orientierte Klavierlibretto der gis-Moll-Sonate. Zu tönendem, stürmischen Leben erweckt, gewinnt der zweite Satz mit seinen beängstigenden Wellenbewegungen die Dramatik „ozeanischer Unendlichkeit“ (Skriabin). Der Interpretin fehlt es dabei nicht an einem guten Maß an Beherrschtheit in der Tempojustierung. Yu Jung Yoons russischer Kollege Daniil Trifonov, dessen Carnegie Hall-Einspielung kürzlich bei der Deutschen Grammophon erschienen ist, zeigt in dieser Phase schier grenzenlose Gewandtheit, aber auch eine gefährliche Tendenz, fliegend und hastend das wirkliche Auf- und Ab des Satzes aus den Augen zu verlieren, pianistisch gesprochen: aus den Händen zu geben.
Der Beginn der Fis-Dur-Sonate mit seinen giftig gen Himmel spritzenden Klangkaskaden kann man sich gleißender, betörender, ja verwegener herausgeschleudert vorstellen als es Yu Jung Yoon gegeben ist (oder sinnvoll erscheint). Ich denke da an die italienische Life-Aufnahme von Sviatoslav Richter aus den 60er-Jahren. Aber die junge Yoon versteht es, die Sonate trotz ihrer zerfurchten, immer wieder ermattenden und dann heftig aufbegehrenden Anlage „zusammen zu halten“ und am Ende packend ausrauschen zu lassen..
Was die Edition dieser insgesamt beeindruckenden musikalischen Vorführungen und Bekenntnisse anbelangt, so sind einerseits der räumlich-dynamisch natürlich wirkende Klavierklang und ein profunder Einführungstext von "Klassik-Heute"-Autor Hartmut Lück hervorzuheben, andererseits ein Manko, das für viele der neueren Publikationen typisch ist. Biographisches Material – Herkunft, Nationalität, Alter etc. – bleibt im Begleitheft bis auf wenige Daten hinsichtlich der verantwortlichen Pädagogen ausgespart. Eine Diskretion, die man bei Horowitz-, Arrau- oder auch bei Sokolov-Aufnahmen auf Grund von deren Berühmtheitsgrad tolerieren wird, aber bei einem künstlerischen und medialen "Newcomer" vermisst. Nebenbei bemerkt: auch Yu Jung Yoons Webseite ist nicht informativer – und graphisch derart gestaltet, dass man beim Schwarz/Weiß-Ausdruck den Text kaum lesen kann…
Vergleichsaufnahmen: Préludes op. 11: Kerer (LP Melodia/Eurodisc 25160 KK), Fergus-Thompson (ASV DCA 919), Ponti (LP Vox Box SVBX 5462), Pizarro (Collins 14962), Kuschnerova (Ars musici 1259-2), Gourari (Koch 3-1431-2), Lane(Hyperion CDA 67057/8), Zarafiants (Naxos 8.553997), Gieseking (Music & Arts 1098/4), von Eckardstein (MDG 604 1318-2); Sonaten op. 19 und op. 53: Shukow (telos Music TLS 035); op. 19: Pogorelich (DG 429 391-2), Demidenko (Conifer classics 75605 51204 2), Novitskaya (LP Melodya CM 03533-4), Trifonov (Carnegie Hall 5.2.2013 DG 479 1728); op. 53: Gould (NY 1970 LP CBS M3 42150), Horowitz (LP RCA ARL 1-1766, GD 86215), Gieseking (live 30.10.1947 Pearl GEMM CD 9011), Postnikova (LP Melodya 33CM 03983-84/a), Richter (LP DG 2726020, DG 423 573-2), Steuerman (Philips 422 068-2), Deyanova (Nimbus NI 5176), Plagge (Deutsche harmonia mundi 2028-2), Boris Berman (Musik & Arts CD-605)
Überzeugendes Ergebnis
25.04.2014
Alexander Scriabin: 24 Préludes op. 11, Sonate Nr. 2 op. 19, Sonate Nr. 5 op. 53; Yu Jung Yoon, Klavier; 1 CD Dreyer Gaido CD21080; 2012-2013 (59'58) – Rezension von Guy Wagner
Die Pianistin, die sich hier für Scriabin einsetzt, verdient Beachtung. Auf ihrer (leider schlecht) leserlichen Homepage erfährt man etwas mehr über die Südkoreanerin Yu Jung Yoon, die, dank ihrer Geschwister, schon in sehr jungen Jahren ihre Faszination für das Klavier entdeckte und danach als eine der jüngsten Schülerinnen überhaupt am St. Petersburger Konservatorium angenommen wurde. Dort führte ihr Lehrer Vasily A. Kalmikov sie in die Musikwelt von Scriabin ein. Sie schloss ihr Studium mit höchster Auszeichnung ab und arbeitete danach in Deutschland mit Vladimir Krainev und Roland Pröll, sodann noch vier Jahre in Paris mit Henri Barda zusammen. Schon allein daran erkennt man, dass wir es hier mit einer ernsthaften Musikerin zu tun haben, die ‘immer strebend sich bemüht’.
So ist denn auch ihre CD mit Werken des immer noch nicht auf seinen wahren Wert eingeschätzten Alexander Scriabin überzeugend. Zwar sind die Préludes op. 11 inzwischen zumindest teilweise ins allgemeine Repertoire angekommen, doch erst eine Gesamtaufnahme, wie die hier vorliegende, macht deutlich, wie vielseitig und reichhaltig diese Klaviermusik ist, zumal, wenn sie mit einem so differenzierten, farbigen Spiel und so nuancen- und variationsreich, dargeboten wird wie hier. Jede dieser Miniaturen wird eine Kostbarkeit für sich. Virtuosität und Sensibilität charakterisieren diese Interpretation, die ohne Showeffekte daherkommt und sich ganz auf den musikalischen Ausdruck konzentriert.
Konzentration braucht es auch, um die 2. Sonate in gis-Moll, op. 19, genannt ‘Sonate-Fantaisie’, in zwei Sätzen: Andante und Presto, die ‘Eindrücke verschiedener Meeresstimmungen’ wiedergibt, dixit Scriabin selbst, nicht ausufern zu lassen. Dies gilt besonders für das Presto, das ein ‘stürmisch bewegtes Meer’ deuten soll. Hier läuft der Interpret Gefahr, entweder zu wenig ‘stürmisch’, demnach behäbig zu wirken, oder aber zu schnell und damit zu oberflächlich zu sein. Yu Jung Yoon erreicht in ihrem Spiel ein erstaunliches Maß an Selbstbeherrschung, das eine ‘goldene Mitte’ findet.
Auch in der Sonate Nr. 5 in Fis-Dur, op. 53, der letzten, die der Komponist 1907 schuf und die geistig eng mit dem ‘Poème de l’Extase’ zusammenhängt, lässt es die junge Pianistin nicht auf Effekthascherei ankommen, selbst wenn die hier sehr wohl möglich wäre, schon durch die Überbetonung der Triller des Prologs und durch die unstete Mischung von Zurückhaltung und klanglichen Ausbrüchen im Ablauf des Werks. Vielmehr gelingt es Yu Jung Yoon, das Musikalische in den Vordergrund zu bringen, die Emotionen während des Ablaufs zu zügeln, um dann den Abschluss der Sonate ‘accelerando’ umso eindrucksvoller zu gestalten, zugleich aber auch ihre Virtuosität in dieser auch aufnahmetechnisch überzeugenden Einspielung eindrucksvoll unter Beweis zu stellen.
Pairing deep musicality and a perfect sense of self control with a technically outstanding playing, Yu Jung Yoon is an excellent performer in this attractive Scriabin program.
So ist denn auch ihre CD mit Werken des immer noch nicht auf seinen wahren Wert eingeschätzten Alexander Scriabin überzeugend. Zwar sind die Préludes op. 11 inzwischen zumindest teilweise ins allgemeine Repertoire angekommen, doch erst eine Gesamtaufnahme, wie die hier vorliegende, macht deutlich, wie vielseitig und reichhaltig diese Klaviermusik ist, zumal, wenn sie mit einem so differenzierten, farbigen Spiel und so nuancen- und variationsreich, dargeboten wird wie hier. Jede dieser Miniaturen wird eine Kostbarkeit für sich. Virtuosität und Sensibilität charakterisieren diese Interpretation, die ohne Showeffekte daherkommt und sich ganz auf den musikalischen Ausdruck konzentriert.
Konzentration braucht es auch, um die 2. Sonate in gis-Moll, op. 19, genannt ‘Sonate-Fantaisie’, in zwei Sätzen: Andante und Presto, die ‘Eindrücke verschiedener Meeresstimmungen’ wiedergibt, dixit Scriabin selbst, nicht ausufern zu lassen. Dies gilt besonders für das Presto, das ein ‘stürmisch bewegtes Meer’ deuten soll. Hier läuft der Interpret Gefahr, entweder zu wenig ‘stürmisch’, demnach behäbig zu wirken, oder aber zu schnell und damit zu oberflächlich zu sein. Yu Jung Yoon erreicht in ihrem Spiel ein erstaunliches Maß an Selbstbeherrschung, das eine ‘goldene Mitte’ findet.
Auch in der Sonate Nr. 5 in Fis-Dur, op. 53, der letzten, die der Komponist 1907 schuf und die geistig eng mit dem ‘Poème de l’Extase’ zusammenhängt, lässt es die junge Pianistin nicht auf Effekthascherei ankommen, selbst wenn die hier sehr wohl möglich wäre, schon durch die Überbetonung der Triller des Prologs und durch die unstete Mischung von Zurückhaltung und klanglichen Ausbrüchen im Ablauf des Werks. Vielmehr gelingt es Yu Jung Yoon, das Musikalische in den Vordergrund zu bringen, die Emotionen während des Ablaufs zu zügeln, um dann den Abschluss der Sonate ‘accelerando’ umso eindrucksvoller zu gestalten, zugleich aber auch ihre Virtuosität in dieser auch aufnahmetechnisch überzeugenden Einspielung eindrucksvoll unter Beweis zu stellen.
Pairing deep musicality and a perfect sense of self control with a technically outstanding playing, Yu Jung Yoon is an excellent performer in this attractive Scriabin program.
Yu Jung Yoon plays Alexander Scriabin. 24 Préludes op.11,
Sonatas 2 & 5
Dreyer Gaido 21080
Die junge koreanische Pianistin Yu Jung Yoon, die bereits im Alter von fünfzehn Jahren am Konservatorium St. Petersburg zum Klavierstudium zugelassen wurde, bezeichnet die Musik Alexander Skrjabins im CD-Booklet als ihr »musikalisches Zuhause«, in dem sie sich ganz natürlich und intuitiv bewegen könne. Und in der Tat zeichnet sie wie selbstverständlich in jedem einzelnen der 24 Préludes op.11 mit einem unglaublich warmen, farbenreichen und geschmeidigen Klavierklang plastische Klangwelten – mal mysteriös, mal humorvoll; mal kraftvoll, mal intim –, ohne dabei auch nur das Geringste an technischer Feinheit und Transparenz missen zu lassen. Die nächtlich-düstere Atmosphäre in Skrjabins Sonate-Fantaisie op. 19 mit dem »stürmischen Aufruhr der unendlichen Weite des Ozeans« (Skrjabin) im Finalsatz interpretiert Yoon souverän. Ebenso gelingt es ihr, der zerfahrenen, immer wieder zum Stillstand kommenden und aufs Neue aufbegehrenden 5. Sonate op.53 einen dramaturgischen Spannungsbogen zu geben. Ein durchwegs überzeugendes Debüt-Album. • Jakob Lajta
BEITRAG aus : ÖSTERREICHISCHE MUSIKZEITSCHRIFT 3/2014
ISBN 978-3-205-79555-1 © 201 4 by BÖHLAU VERLAG GES.M.B.H. & CO.KG , WIEN KÖLN WEIMAR
ISBN 978-3-205-79555-1 © 201 4 by BÖHLAU VERLAG GES.M.B.H. & CO.KG , WIEN KÖLN WEIMAR
Visionär aus Russland
Klaviermusik von Aleksandr Skrjabin im Sendesaal
Bremen. Im Zusammenhang mit einer CD-Produktion stellte sich die Pianistin Yu Jung Yoon den Bremer Klavier-Freaks im Sendesaal vor. In Seoul gebürtig, in St. Petersburg und Paris ausgebildet, lebt sie heute in Berlin. Mutig von ihr, Werke des russischen Spätromantikers Aleksandr Skrjabin (1872-1915) zu spielen – eine für die Geschichte der Klaviermusik wichtige Figur; das Werk dieses visionären Künstlers ist selten im Konzertsaal zu hören.
Yu Jung Yoon begann mit Skrjabins 24 Préludes op. 11, einer Folge von Miniaturen durch alle Dur- und Molltonarten, deutlich geprägt durch das op. 28 von Fryderyk Chopin, aber doch schon vorausweisend auf die harmonischen Kühnheiten des mittleren und späten Skrjabin, der bis an die Grenzen der Tonalität vorstieß. Die durch ihr Studium mit russischer Musik vertraute Pianistin meisterte die technisch anspruchsvollen Stücke mit Bravour, mit stupendem Sprungvermögen und sicherem Zugriff, die eher lyrisch versonnenen Charakterzeichnungen mit feiner Anschlagskultur und kontrollierter dynamischer Palette. Es folgte die 2. Sonate in gis-moll op. 19, worin der Komponist Meeresstimmungen schildert: Mondschein und Wolkenbilder im langsamen ersten Satz, Sturm und Wogenrauschen im abschließenden Presto. Dieses stellenweise wie ein klingender "Take Off" wirkende Stück zeigt schon ein später für Skrjabin typisches Motiv: den imaginierten Flug in höchste Höhen. Auch hier gefiel die Pianistin durch ihr technisch tadellos gebändigtes Temperament.
Die 5. Sonate op. 53, vielleicht Skrjabins berühmtestes Klavierwerk, beschloss den Abend. Das einsätzige Stück bietet ein Kaleidoskop gegensätzlicher Charaktere, ja geradezu chaotisch-vulkanischer Eruptionen, die aber einem strengen Formdenken unterworfen bleiben. Yu Jung Yoon zeigte für jede Episode die passende Nuancierung und die Fähigkeit, blitzartig auf unterschiedlichste technische Anforderungen zu reagieren. Lediglich möchte man anmerken, dass sie bei akkordischem Spiel gelegentlich die rechte Hand um Sekundenbruchteile verzögerte. Eine interpretatorische Haltung, die heute eher vermieden wird, auch wenn man sie bei berühmten Klaviervirtuosen der Vergangenheit durchaus findet. Fazit: Die junge Künstlerin brillierte mit einem spezialisierten Programm; nun ist man neugierig, wie sie die Klaviermusik anderer Epochen meistern würde.
Die 5. Sonate op. 53, vielleicht Skrjabins berühmtestes Klavierwerk, beschloss den Abend. Das einsätzige Stück bietet ein Kaleidoskop gegensätzlicher Charaktere, ja geradezu chaotisch-vulkanischer Eruptionen, die aber einem strengen Formdenken unterworfen bleiben. Yu Jung Yoon zeigte für jede Episode die passende Nuancierung und die Fähigkeit, blitzartig auf unterschiedlichste technische Anforderungen zu reagieren. Lediglich möchte man anmerken, dass sie bei akkordischem Spiel gelegentlich die rechte Hand um Sekundenbruchteile verzögerte. Eine interpretatorische Haltung, die heute eher vermieden wird, auch wenn man sie bei berühmten Klaviervirtuosen der Vergangenheit durchaus findet. Fazit: Die junge Künstlerin brillierte mit einem spezialisierten Programm; nun ist man neugierig, wie sie die Klaviermusik anderer Epochen meistern würde.